Impuls II: Gläubige sind alle Geschwister – weltweit – Arme und Einfache

Beginn mit einem Gebet

Maria, Mutter der Glaubenden (aus Marienwerkbuch, Verlag Styria)
Herr, du hast uns Maria, die Mutter Jesu, als Vorbild des Glaubens und der Hoffnung gegeben. Lass uns stark sein wie sie.
In Stunden des Zweifels lass uns an ihrem Beispiel die Kraft finden,
alle Dunkelheiten auszuhalten und von neuem das Ja des Glaubens zu sprechen.
Gütiger Gott, in Maria hast du nicht nur deinem Sohn eine leibliche Mutter gegeben.
Sie ist auch für uns zur Mutter geworden, indem sie uns im Glauben voranging und ihre Treue zu Christus bewiesen hat. Wir danken dir für diese Frau. Lass uns wie sie immer in Treue zu Christus stehen.
Herr, am Anfang des Glaubens an Christus steht Maria,
die erste Christin und Mutter der Glaubenden.
Lass uns auf sie zurückschauen und immer von neuem den Glauben wagen,
wenn wir an Christus Anstoß nehmen und Zweifel uns überkommen.
Denn nur im Glauben werden wir das Heil erlangen.

Bibelstelle
Jesus ist der Herr aller, Apg 10,34-38

In jenen Tagen begann Petrus zu reden und sagte: Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist. Er hat das Wort den Israeliten gesandt, indem er den Frieden verkündete durch Jesus Christus: Dieser ist der Herr aller.

Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist, angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft, wie dieser umherzog, Gutes tat und alle heilte, die in der Gewalt des Teufels waren; denn Gott war mit ihm.

Gott sieht nicht auf die Person

In der Lesung aus der Apostelgeschichte (10,34-38) stellt der Apostel Petrus fest: „Wahrhaftig, jetzt begreife ich, dass Gott nicht auf die Person sieht, sondern dass ihm in jedem Volk willkommen ist, wer ihn fürchtet und tut, was recht ist.“ Alle Menschen können an dem teilhaben, was Gott verheißt. So bezieht Lukas, der Schreiber der Apostelgeschichte, Stellung in einem frühen Konflikt. Bei den ersten Verantwortlichen der Christen musste die Frage gelöst werden: Wer darf alles Christus nachfolgen, wer darf zu seiner Gemeinde gehören? Der Schreiber der Apostelgeschichte nimmt Stellung zu dieser frühen Frage. In der christlichen Gemeinde sollen alle Platz haben, ob sie nun in ihrer Lebens- u Glaubensgeschichte aus dem Judentum stammen oder damals als Heiden durch die griechisch-römische Kultur geprägt sind.

Jesus machte sich den Menschen gleich. Er reihte sich sogar ein in die Schar der Täuflinge durch Johannes den Täufer am Jordan – zu einer Taufe als Einstieg in Umkehr und Buße, obwohl der Sohn Gottes das nicht nötig gehabt hätte. Aber Jesus schloss nichts aus in dem Sinn, das und das geht mich nichts an. Er trat nicht als einer auf, der sich höher, besser, gelehrter oder frömmer stellte als die, die ihm zuhörten. Die einfachen Beispiele und Gleichnisse, die er verwendete, zeigen, dass er die Sprache des Volkes sprach und sich auf ihre Ebene begab. Das ist das eigentlich Unvorstellbare der Menschwerdung des Gottessohnes: Der eines Wesens mit dem Vater ist, gleich Gott von Gott, „entäußert sich all seiner Gewalt, wird niedrig und gering und nimmt an eines Knechts Gestalt, der Schöpfer aller Ding“, wie es in einem Weihnachtslied heißt (GL 247).

Jesus, der auf unsere Augenhöhe gekommen ist, hat auf der einen Seite gezeigt, was ideales Menschsein bedeutet. An dem muss der Mensch sich orientieren und selber ganz Mensch werden; der Mensch muss auch für Menschen ganz da sein und damit die Liebe Gottes praktizieren und verkörpern. Wir müssen uns immer wieder besinnen: Sind wir schon wirklich Mensch geworden nach Jesu Vorbild? Oder was fehlt noch am Ideal des wirklichen Menschseins? Von Heiligen sagen wir das. Aber wer ist von uns schon (ganz) heilig? Der Apostel Paulus forderte es so von den Philippern: „Seid untereinander so gesinnt, wie es dem Leben in Christus Jesus entspricht.“ (Pil 2,5)

Alle Getauften gehören zum neuen Volk Gottes, zu den Kindern Gottes. Was der himmlische Vater bei der Taufe am Jordan zu seinem Sohn Jesus gesagt hat, wird für jeden gelten, der durch die Taufe zu Gott gehört. Und indem sich Menschen an Jesus binden, werden sie frei. Freiheit ist eines der größten Güter, die der Mensch sich wünscht. Freiheit seht in diesem Sinn noch über der Gesundheit. Wir sehen in Christus Jesus die Freiheit, die über unsere begrenzten Vorstellungen hinausführt. Das dürfen wir dankbar annehmen.

Papst Franziskus – Ausweitung auf weltweite Geschwisterlichkeit

Papst Franziskus behandelt in seinen Ansprachen und Schreiben alle möglichen Themen. Seine Schwerpunkte sind jedoch die Armen und Bedürftigen, die Menschen am Rand. Beim Lesen seiner päpstlichen Schreiben geht der Blick immer wieder zu den notleidenden und bedürftigen Menschen. Auch sie sollen durch ihre Mitmenschen, vor allem durch die gläubigen Mitchristen nicht allein gelassen werden.

Ein Schwerpunkt ist die „Enzyklika Fratelli tutti des Heiligen Vaters Papst Franziskus über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“. – Manche haben den Titel „Fratelli tutti“ als einseitig kritisiert. Aber bevor Skeptikerinnen wegen des nur wörtlich übersetzten Titels „Alle Brüder“ die Enzyklika nicht lesen, hat der Schweizer Kapuziner Br. Niklaus Kuster in „Vatikan news“ den Titel genau erläutert: „Unsensible Übersetzungen verkennen, dass Franz von Assisi im zitierten Werk sowohl Frauen wie Männer anspricht. Der mittelalterliche Dichter tritt wie die neue Enzyklika für eine universale Geschwisterlichkeit ein. Papst Franziskus leitet Licht auf eine spirituelle Perle des Mittelalters, die moderne Leserinnen und Leser überraschen kann.“

Geschwisterlichkeit – am Beispiel des heiligen Franziskus (Nr. 1 und Nr. 2)

1. „Fratelli tutti“ (1) schrieb der heilige Franz von Assisi und wandte sich damit an alle Brüder und Schwestern, um ihnen eine dem Evangelium gemäße Lebensweise darzulegen. Von seinen Ratschlägen möchte ich den einen herausgreifen, mit dem er zu einer Liebe einlädt, die alle politischen und räumlichen Grenzen übersteigt. Er nennt hier den Menschen selig, der den anderen, „auch wenn er weit von ihm entfernt ist, genauso liebt und achtet, wie wenn er mit ihm zusammen wäre“. (2) Mit diesen wenigen und einfachen Worten erklärte er das Wesentliche einer freundschaftlichen Offenheit, die es erlaubt, jeden Menschen jenseits des eigenen Umfeldes und jenseits des Ortes in der Welt, wo er geboren ist und wo er wohnt, anzuerkennen, wertzuschätzen und zu lieben. (1) Ermahnungen 6,1. (2) ebd. 25.

2. Dieser Heilige der geschwisterlichen Liebe, der Einfachheit und Fröhlichkeit, der mich zur Abfassung der Enzyklika Laudato si’ anregte, motiviert mich abermals, diese neue Enzyklika der Geschwisterlichkeit und der sozialen Freundschaft zu widmen. In der Tat wusste sich der hl. Franziskus, der sich als Bruder der Sonne, des Meeres und des Windes verstand, noch viel tiefer eins mit denen, die wie er von menschlichem Fleisch waren. Er säte überall Frieden aus und ging seinen Weg an der Seite der Armen, Verlassenen, Kranken, Ausgestoßenen und der Geringsten.“- Zitatende.

Im „vatican news“ vom 04.10.2020 findet sich eine Zusammenfassung dieser Enzyklika. Zitat: „Es geht dem päpstlichen Lehrschreiben darum, das weltweite Verlangen nach Geschwisterlichkeit und sozialer Freundschaft zu fördern. Im Hintergrund steht die Corona-Pandemie, die, wie Franziskus formuliert, „unerwartet ausbrach, als ich dieses Schreiben verfasste“ (7). Der globale Gesundheitsnotstand habe einmal mehr gezeigt, dass niemand sich allein rette und dass jetzt wirklich die Stunde gekommen sei, um „von einer einzigen Menschheit zu träumen“ (8), in der wir „alle Geschwister“ sind.

Die Vorstellung, dass Liebe „eine universale Dimension“ (83) haben sollte, wird im dritten Kapitel („Eine offene Welt denken und schaffen“), weitergedreht. Franziskus ruft uns dazu auf, aus uns herauszugehen, „um eine vollere Existenz in einem anderen zu finden“ (88), und uns für andere zu öffnen, so dass eine „universale Gemeinschaft“ denkbar wird. Das menschliche Leben wird, wie die Enzyklika formuliert, in spiritueller Hinsicht daran gemessen, ob uns die Liebe dazu antreibt, das Beste für die anderen zu suchen (92-93). Weil der Sinn für Solidarität und Geschwisterlichkeit im Raum der Familie entsteht, sind Familien mit ihrer „vorrangigen und unabdingbaren Erziehungsaufgabe“ (114) besonders zu schützen und zu respektieren.

Niemandem kann das Recht auf ein Leben in Würde verweigert werden, fährt der Papst fort, und weil Rechte keine Grenzen kennen, darf keiner ausgeschlossen werden, ganz egal wo er herkommt (121). Darum ruft Franziskus nach einer „Ethik der internationalen Beziehungen“ (126) und erinnert daran, dass kein Land sich gegen Fremde abschotten oder Fremden, die bedürftig sind, Hilfe verweigern darf.“ – Soweit das Zitat aus „vatican news“.

Diese Anregungen verdeutlichen, kein Mensch ist für sich allein. Sie zielen auf ein gewaltiges Vorhaben der gläubigen Christen, sie sind zugleich eine Einladung an alle Menschen guten Willens, eine bessere, gerechtere und friedlichere Welt aufzubauen. – Angesichts dieses schwierigen und differenzierten Vorhabens bleibt die Frage, wie gehen gläubige Menschen mit dem päpstlichen Schreiben um? Und wird es auch auf andere Menschen wirken?

Wer glaubt, ist nie allein. Im Denken an diese Tatsache erscheint ein Blick auf meine eigenen Erfahrungen und Einstellungen zu diesen verwandten Themen „Gemeinschaft im Glauben“ und „Geschwisterlichkeit“ sinnvoll. Wie haben mich Erfahrungen mit diesen Themen geprägt – in meiner Kindheit und Jugend, in meiner Familie, in Gruppen und Vereinen, in meiner Kirche?

Vielleicht war eine ansprechende, menschliche und gleichsam geschwisterliche Erfahrung ein ausschlaggebender Anstoß für meinen Beitritt zur Marianischen Männerkongregation?

Sinnvoll und zugleich anspruchsvoll ist es, sich diese Enzyklika zu Gemüte zu führen. Als Ganzes erscheint sie recht umfangreich und anspruchsvoll. Es mag auch genügen, ausgewählte Nummern zu lesen und zu betrachten. – So weit meine Empfehlung!

Angeregt von dieser päpstlichen Enzyklika und der Gestalt des heiligen Franziskus möchte ich mit einer wahren Geschichte schließen, die ebenso zum Nachdenken anregen kann.

Der Christ Michail Gorbatschow - Eine wahre Geschichte

Der frühere Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Staatspräsident Michail Gorbatschow, der die Wende in Moskau einleitete, hat sich öffentlich als Christ zu erkennen gegeben. Wie verschiedene Zeitungen berichten, hat er zusammen mit seiner Tochter Assisi besucht und am Grab des heiligen Franziskus kniend eine halbe Stunde lang gebetet. Laut der amerikanischen Nachrichtenagentur „Catholic World News“ sagte Gorbatschow, er betrachte Franz von Assisi als seinen „geistlichen Schutzpatron“. Durch Franziskus habe er wieder zum Christentum, zur Kirche gefunden. Deshalb habe er als Dank den Wirkungsort des Heiligen besuchen wollen.

Michail Gorbatschow wurde als Kind orthodox getauft. Seine Eltern waren Christen, ebenso seine 1999 verstorbene Ehefrau Raissa. Bereits während seiner Zeit als Herrscher im Kreml gab es Äußerungen aus seinem Umfeld, er sei gar nicht Atheist, sondern Christ. Der damalige amerikanische Präsident Ronald Reagan soll nach einer privaten Aussprache mit Gorbatschow engen Beratern anvertraut haben, er halte den sowjetischen Staats- und Parteiführer für einen Menschen, „der insgeheim gläubig ist“. Im Dezember 1989, nur wenige Wochen nach den Grenzöffnungen am Eisernen Vorhang, war Gorbatschow zu einem aufsehenerregenden Gespräch mit Papst Johannes Paul II. im Vatikan zusammengetroffen. Beide haben damals ohne Dolmetscher unter vier Augen auf Russisch miteinander geredet.

Schon seit längerem wird vermutet, dass Gorbatschows religiöse Haltung maßgeblich mit dazu beigetragen habe, dem alten kommunistischen Regime in Osteuropa bewusst ein Ende bereiten zu wollen. Die mit dem Amtsantritt als KP-Generalsekretär 1985 von Gorbatschow eingeleitete Reformpolitik – zunächst unter dem Namen Glasnost (offene Stimme, umfassende Information, Transparenz), dann ab 1987 unter dem Begriff Perestroika (Umbau, Umgestaltung, Umstrukturierung) – sei keine bloß taktische Strategie zum Erhalt des Systems gewesen, sondern habe von Anfang an einen tiefgreifenden politischen, geistigen wie kulturellen Wandel der Sowjetunion angezielt.
aus „Christ in der Gegenwart“, Anfang April 2008

Gebet zum Schöpfer (aus „Fratelli tutti“)

Herr und Vater der Menschheit, du hast alle Menschen mit gleicher Würde erschaffen.
Gieße den Geist der Geschwisterlichkeit in unsere Herzen ein.

Wecke in uns den Wunsch nach einer neuen Art der Begegnung, nach Dialog, Gerechtigkeit und Frieden. Sporne uns an, allerorts bessere Gesellschaften aufzubauen und eine menschenwürdigere Welt ohne Hunger und Armut, ohne Gewalt und Krieg.

Gib, dass unser Herz sich allen Völkern und Nationen der Erde öffne, damit wir das Gute und Schöne erkennen, das du in sie eingesät hast, damit wir engere Beziehungen knüpfen
vereint in der Hoffnung und in gemeinsamen Zielen. Amen.

Heilige Maria, Patron der Marianischen Männerkongregation, bitte für uns.
Heiliger Bruder Konrad, unser Mitpatron, bitte für uns.
Heilige Corona, Fürsprecherin in vieler Hinsicht, bitte für uns.

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